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Diskussion rund um den Inzuchtkoeffizienten

Führt man mit anderen Katzenliebhabern Rassegespräche, dauert es nicht lange und das Wort Inzuchtkoeffizient dominiert die Diskussion. Schauen wir uns im nachfolgenden einmal an, was der Zahlenwert aussagt

Der Inzuchtkoeffizient stellt eine rechnerische Beziehung von dem Verwandtschaftsgrad der mütterlichen und väterlichen Ahnen her. Diese auf eine einfache Zahl komprimierte Aussage stellt in der Katzenzucht eine Arbeitsgrundlage dar, um günstige oder auch ungünstige Verpaarungen abschätzen zu können. Um eine gesicherte Arbeitsbasis zu erhalten, müssten die Zahlen vergleichbar sein, sie sind es aber nicht, wie es aus den nachfolgenden Beispielen hervorgeht. Häufig ist ein Blick in die Ahnentafel aussagekräftiger als ein Rechenwert.

Schauen wir uns einige Beispiele an:

Die weiblichen Tiere sind mit m (Mutter) gekennzeichnet, die männlichen mit v (Vater),

die Tiere unterscheiden sich durch Ziffern und Groß- und Kleinbuchstaben.

A3 ist folglich ein anderes Tier als a3.

Um die Darstellungen übersichtlich zu gestalten, werden nur drei Generationen dargestellt. Nach herrschender Lehrmeinung sind Berechnungen auf vier, maximal auf fünf Generationen anzuwenden

Stammbaum 1

Stammbaum mit nichtverwandten Ahnen, IK=0. Die Katze AB mit nichtverwandten Ahnen im Stammbaum, d.h. keine Katze kommt im Stammbaum doppelt vor. Das lehrt uns der Blick in die Ahnentafel und drückt sich im IK aus, der sich in diesem Beispiel mit Null berechnet.

 

Das 2. Beispiel zeigt einen Stammbaum mit zwei stark ingezüchteten Linien mit Geschwisterverpaarungen jeweils in der 2. Generation auf beiden Seiten, die jetzt verkreuzt werden. In der mütterlichen Linie sind zwar doppelte Ahnen vertreten und auch in der väterlichen Linie kommt Doppelung der Ahnen vor, aber die doppelten Ahnen beziehen sich nicht auf Vater und Mutter gleichzeitig Da also in der mütterlichen und väterlichen Linie keine gleichen Ahnen vorkommen, berechnet sich der IK trotzdem mit Null.

Stammbaum 2

Der Stammbaum zeigt zwei stark ingezüchtete Linien mit Geschwisterverpaarungen jeweils in der 2. Generation

 

Stammbaum 1 und 2 sind klassische Beispiele für zwei gänzlich unterschiedliche Stammbäume, die aber rechnerisch den gleichen Wert für den IK ergeben, nämlich Null. Trotzdem liegt bei Stammbaum 2 starke Inzucht vor und der IK=0 führt in die Irre.

Stammbaum 3

 

Der Stammbaum zeigt zwei gleiche Ahnen in der dritten Generation (B3m und B3v), A2m und B2m sind Vollgeschwister, die Hunde A1m und B1v Cousin und Cousine. IK=6,25

Stammbaum 4

Reduziert sich die Doppelung der Ahnen auf einen in der 3. Generation, sinkt der IK gleich um 50%, auf IK=3,1

 

Stammbaum 5

Der Stammbaum zeigt Nachwuchs von Halbgeschwistern. Die Katze B2m in der 2. Generation wurde an verschiedene Kater angepaart und die Nachkommen wiederum verpaart, daraus errechnet sich ein IK von 12,5, zeigt also einen hohen Inzuchtgrad.

 

In der Rassekatzenzucht finden wir diese Verpaarungen bei dem Aufbau neuer Linien. Sie wurden früher vorgenommen, um bestimmte Merkmale zu stabilisieren oder um heraus zu finden, ob die Tiere Träger von Defektgenen sind (genetische Reinigung) , was sich bei den Nachkommen hätte bemerkbar machen müssen. Das ist eine Methode, die früher häufig praktiziert wurde, ehe die Tiere in größerem Stil züchterisch eingesetzt wurden. Heute weiß man, dass Inzuchtverpaarungen großes Leid über die Tiere bringen können und deshalb als unethisch eingestuft werden müssen.

Ist die Berechnung des IK über möglichst viele Generationen sinnvoll?

Liebhaber von leistungsstarken Computern bevorzugen aufwendige Berechnungen und berechnen den IK am liebsten über 10 Generationen. Man muss sich aber die Frage stellen, ob dies sinnvoll ist. Der IK ist ein Arbeitswert, ein Hilfsmittel, der dem Züchter an die Hand gegeben wird, um geplante Verpaarungen zu vergleichen und ihren Nutzen abzuschätzen. Das setzt eine Vergleichbarkeit aller IK- Werte voraus.

Die meisten modernen Pedigreeprogramme werten alle Informationen aus, die vorhanden sind. In der Praxis stehen aber nicht für alle Katzen vergleichbare Informationen bereit. Für viele Auslandstiere sind z.B. nur wenige Generationen bekannt. Bei in Deutschland gezüchteten Tieren variiert die Bekanntheit der Ahnen, je nachdem ob ich frühere Seiteneinkreuzungen mit unbekannten Ahnen betrachte oder Tiere, die direkt auf die Ursprungstiere zurück gehen. In die Berechnungsformeln geht ein unbekannter Ahn als nicht verwandt ein.

Damit ergibt sich das Kuriosum, dass eine Katze mit wenig bekannten Ahnen auf 10 Generationen einen niedrigeren IK-Wert liefern kann als eine Katze, bei dem ein Grossteil der Ahnen bekannt ist.

Die Berechnung möglichst vieler Generationen kann also zu falschen Schlüssen führen und ist nicht mehr aussagekräftig. Wichtiger für die praktische Nutzung ist die Vergleichbarkeit der Werte wie für jede andere Fragestellung auch. Wenn also die Berechnung im Sinne einer Erweiterung der Generationen verändert werden soll, ist dies nur sinnvoll, wenn für alle Katzen vollständige Ahneninformationen vorliegen.

Ohne Kenntnis der komplexen Zusammenhänge ist also Vorsicht geboten, den Nutzen einer Verpaarung aufgrund einer einzelnen Zahl zu bewerten. Der IK ist und bleibt ein Hilfsmittel.

Es gibt noch andere Kriterien, um verwandtschaftliche Beziehungen zu betrachten wie z.B. den Ahnenverlustkoeffizienten und die Berechnung, mit welcher Wahrscheinlichkeit Defektgene homozygot werden. Es gibt auch noch unterschiedliche Berechnungsformeln, aber das würde hier zu weit führen.

Annelie Feder